Wer sich jetzt als Student der Informatik oder Wirtschaftsinformatik damit abfindet, mit seinen Programmier-Kenntnissen in den nächsten 10 Jahren gefragt zu bleiben, unterschätzt den sehr dynamischen Wandel der Anforderungen an IT-Profis. Zurzeit ist zwar nicht offensichtlich, dass Programmierleistungen in Deutschland viel zu teuer sind, weil der Markt insgesamt zu eng ist und ein Nachfrageüberhang nach IT-Profis dominiert. Das wird sich ändern, sobald die Nachfrage sich wieder auf ein normales Maß entspannt.
In den letzten 6 Jahren meiner Tätigkeit in der IT-Consultingbranche ist mir dieser Trend sehr deutlich aufgefallen. Das mag daran liegen, dass Kunden ganz besonders den Bedarf über Consulting decken, den sie mit ihrem eigenen Personal nicht befriedigen können. Die Tagessätze, so das geflügelte Wort der IT-Dienstleister seit Jahren, sind unter Druck, die Unternehmen müssen sparen etc. Wie passt das aber mit dem immensen Bedarf an Fachkräften und den überproportional steigenden IT-Gehältern zusammen? Ganz einfach: Große Pain -> großer Lösungsbedarf -> wenig Leute mit Spezialkenntnissen -> hohe Tagessätze.
Daher gibt es für IT-Dienstleister heute zwei Reaktionsmöglichkeiten, wenn sie nicht vom Markt gedrängt werden wollen: Zum einen Anpassung der Qualifikation ihrer Mitarbeiter, zum anderen Anpassung der Kostenstruktur. Die geringsten Personalkosten werden im Rahmen des Near- oder Offshorings erreicht. Aber auch hier hängt der Himmel nicht einfach voller Geigen, denn nicht jedes Projekt eignet sich für diese Kostensparmaßnahme - jeder der schon mal als Projektleiter internationale Projekte koordiniert hat weiß das. Verständigungsprobleme sind dabei nur der zuerst offensichtliche Teil, dazu in einem anderen Artikel mehr.
Fakt bleibt: Ein rumänischer Programmierer kostet zurzeit ca. 1/4 - 1/3 eines deutschen. Die Tendenz ist zwar steigend, trotzdem wird es noch eine Zeit lang sehr günstig sein, Programmierleistungen nach Rumänien oder anderswo in den Ostblock auszulagern.
Aber nicht nur Nearshoring ist ein Thema, um die Kosten zu drücken - immer mehr qualifizierte Programmierer drängen auf den Markt, die diese Qualifikation nicht über ein langes Studium, sondern z. B. im Rahmen einer Ausbildung erlernt haben. Selbstverständlich wird für die Betriebsunterstützung einer Software kein "full-fledged" IT-Berater zu immensen Kosten eingesetzt, die benötigten Fähigkeiten sind günstiger zu haben.
Die Schere zwischen geringen Qualifikationsanforderungen, die durch Nearshoring oder Auszubildende etc. abgedeckt werden können, und sehr hohen Anforderungen, die auch deutlich über Programmier-IT hinausgehen, geht daher immer weiter auseinander.
Was unternimmt also ein gut ausgebildeter (Wirtschafts-)Informatiker, um nicht unter die Räder zu geraten? Wenn man sich selbst als Unternehmen sieht, das eine Leistung zu verkaufen hat (nämlich die eigene, eine Tatsache die nicht nur auf Freiberufler zutrifft), kann man natürlich seine Kosten anpassen - darauf gehe ich nicht weiter ein, weil die Kunst nicht ist, sich unter Wert zu verkaufen. Im nächsten Teil des Artikels möchte ich vorstellen, in welche Richtung die IT sich aus meiner Sicht entwickeln wird, und welche Konsequenzen sich für das Rollenverständnis der IT-Spezialisten ergeben müssen.
1 Kommentar:
Schöne Analyse, bin gespannt auf Teil 2!
Ist wahrscheinlich ein ganz normaler "Reifeprozeß", den andere Industrien schon lange hinter sich haben. Spezialisierung, Differenzierung, Auslagerung von wiederkehrenden Tätigkeiten in Billiglohnländer etc.
Manchmal habe ich jedoch das Gefühl, daß aufgrund des Marktdrucks hier die etwas zu übereilt vorgegangen wird. Die Technik aber auch die Prozesse (MDA, MDD, DSLs, etc.) hinken hier dem Gewünschten vielerorts hinterher. Die Zukunft wird es zeigen...
PS: Ostblock???
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