Montag, 25. August 2008

Die Produktion von "Doppelbraven"

Gunter Duecks DD71 „Die deutsche Zerrissenheit, der deutsche Doppelbrave und ein Sturm auf die klassische Erziehung“ hat mich auf der Bahnfahrt Braunschweig - Bonn zu einem Gedanken inspiriert. Man verzeihe mir die vielen Zug-Metaphern :-).

Unsere komplette Ausbildung besteht aus relativ wenigen aber wichtigen Einzelentscheidungen, die wir mit zunehmendem Alter eigenständig treffen. Gymnasium oder Realschule? Textil oder Werken? Deutsch und Sport als Leistungsfächer oder doch lieber was womit man beeindrucken kann? Welche Uni? BWL oder doch lieber die Wirtschaftsinfo-Kombi? Wie kann ich Analysis umgehen?

Sind diese Entscheidungen erstmal getroffen und der Zug hat sich in Bewegung gesetzt, heißt es nur noch: Mitfahren und möglichst nicht wieder rauswerfen lassen. Jetzt durchziehen und den Abschluss bekommen, gute Noten auf einem Zeugnis für den späteren Arbeitgeber.

Doch jetzt kommt leider das Problem. Die meisten Unternehmen suchen heute immer weniger die von Gunter Dueck postulierten „Doppelbraven“, sondern den Unternehmer im Unternehmen. Er soll sich nicht einfach für Ziel und Zug entscheiden und dann relaxt in seinen (Arbeits-)Sessel fallen, sondern die Fahrt mitgestalten. Schneller oder langsamer? Andere Strecke besser? Züge modernisieren oder sogar abschaffen und was ganz Neues kreieren?

Darauf bereitet die Lehre nicht vor. Eine deutsche Universitätsausbildung ist größtenteils darauf fokussiert, dass Studierende auswendig Gelerntes rezitieren können. Bloß nicht aus dem Zug geworfen werden, sondern ganz weit nach vorn kommen, zur 1. Klasse! Aber was ist mit Entscheidungen unter Risiko? Unternehmerischem Wagemut? Inspiration, Kreativität? Sozialtaugliches Auftreten? Fehlanzeige. Wenn Job-Einsteiger diese heiß begehrten Qualifikationen mitbringen, dann trotz und nicht wegen der Ausbildung.

Warum also mathematische Optimierungsmethoden oder kiloschwere Marketingbibeln auswendig lernen, wenn das was Unternehmen am meisten wollen nur per Glücksfall daher kommt? Keineswegs ist Fakten-Lernen in der Lehre überflüssig, aber wenn die Lehre beginnend mit der Grundschule in den mindestens 20 folgenden Jahren Schülern und Studenten immer wieder einbleut „Du musste deine Scheine schaffen! Du hast diese Fächer gewählt, damit tritt dein Lehrplan in Kraft und sagt dir was du zu bestehen hast!“, dann dürfen wir uns kaum wundern, dass wir zu viele „Doppelbrave“ und zu wenig „Unternehmer im Unternehmen“ auf dem Arbeitsmarkt haben.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

hallo Olaf,

das sind wirklich interessante Erkenntnisse, die ich sicherlich in das nächste Bewerbergespräch einfließen lassen werde.

In diesem Sinne: schönes und erholsames Wochenende!

VG Anja