Freitag, 8. August 2008

Enterprise Software und Pixelschubsen

Früher besaßen die IT-Abteilungen der Unternehmen die Budgets und legten fest, wer welche Software bekommt. Mittlerweile entwickeln sich IT-Abteilungen (maßgeblich vorangetrieben durch ITSM / ITIL) zu Service-Dienstleistern für die produktive Prozesskette. Damit verändert sich nicht nur ihr Fokus, die "Macht" verschiebt sich auch eindeutig in die Fachabteilungen - und damit hin zu den Anwendern.

Während es also früher "genügte", eine funktionierende Software abzuliefern (was ja leider auch nicht immer funktioniert hat, mittlerweile aber über etablierte Software-Engineering-Prozesse deutlich besser geworden ist), wird die Differenzierung im Markt zukünftig mehr über eine bessere Akzeptanz beim Anwender stattfinden. Typischerweise sind Anwender heute nicht mehr die grauen Büromäuse, die Computer nur für E-Mails und maximal World of Warcraft benutzen, sondern sie sind interessiert genug um zu sehen, welche Unterschiede zwischen einer reinen "funktioniert"-Software und einer wirklich user-orientierten Applikation mit echtem Mehrwert liegen. Das markanteste Beispiel ist wohl der Erfolg von Apple: Auf den Anwender zugeschnittenes, attraktives Design wurde vor der Ipod und Iphone-Ära als Sekundärnutzen belächelt, mittlerweile sind die Zweifler ruhiger geworden und müssen zugeben, dass gute Bedienbarkeit zum Differenzierungsmerkmal und darüber hinaus heimlich, still und leise zu einer Art "erweitertem Primärnutzen" geworden ist. Apple hat diesen Vorteil in den Mainstream gehoben und ist damit reich geworden (zumindest Kollege Steve und die Aktionäre :-).

Das typische Argument, Spielkram hat nichts mit Enterprise Software zu tun, zieht meiner Ansicht nach nicht mehr, denn die Anwender sind dieselben. Ob ich vor Software zu Hause oder bei der Arbeit sitze - ich lasse mich einfach nicht mehr von Applikationen beeindrucken, die zwar irgendwie funktionieren, mich aber durch wenig durchdachte UIs und Abläufe nicht ausreichend bei meinem "Vorhaben" unterstützen, sei es privat oder geschäftlich.

Ich glaube, dieses Umdenken im Markt ist zurzeit da, und es lässt sich nicht nur durch Umfrageergebnisse wahrnehmen, sondern ganz explizit auch in Business Cases durch bessere Unterstützung im Arbeitsprozess rechnen. Große Softwarehersteller mit Kunden aus gehobenem Mittelstand und Weltfirmen wie EMC DCTM schwenken auf RIA Interfaces, weil sie sich durch bessere Bedienbarkeit größere Kundenzufriedenheit (und damit Loaylität und Folgeaufträge) versprechen.

Dabei sollte man aber bei aller Begeisterung eines nicht aus dem Auge verlieren: Sowohl Technologien wie RIA als auch designerisch bearbeitete Interfaces existieren niemals um ihrer selbst willen. Bei aller Technikbegeisterung geht es um die bestmögliche Erfüllung der Kundenwünsche, alles andere ist ausschließlich Mittel zum Zweck!

Je mehr Mittel zum Zweck ein IT-Beratungsunternehmen als Leistung anbieten kann, desto größer werden die Chancen, sich am Markt als derjenige zu platzieren, der innerhalb seiner Zielbranchen Kundenanforderungen nicht nur versteht, sondern auch anwenderorientiert (und sei es bleeding edge technology!) umsetzen kann.

2 Kommentare:

Stefan Walthes hat gesagt…

..da kommt mir der "Wow!"-Effekt in den Sinn: Man überträgt meiner Meinung nach zwischenmenschliche Verhaltensweisen auch auf die (Web-)Anwendungs-Entwicklung, nämlich das der allererste Eindruck von Jemanden - oder einer Anwendung - haften bleibt und man alles Nachkommende dazu damit verbindet. Egal ob Enterprise Software, Web-Application, Web-Präsenz oder Betriebssystem: Wenn man den Besucher auf der Startseite mit angenehmen Farben, geordneten Strukturen, aber vor allem auch mit innovativen und neuen Effekten, Layouts und Funktionen empfängt (wie dein genanntes Beispiel "iPhone"), und damit beim Anwender den Wow!-Effekt hervorruft, dann verzeiht dieser schon eher ein funktional (noch) nicht ganz fehlerfreies System.
Ich denke das macht sich gerade auch im Web überall mit den "Beta"-Seiten des Web-2.0 bemerkbar: Es werden neue und mitunter geniale Dienste und Funktionen erstellt, als "Beta" veröffentlicht um die Gemeinde dafür erstmal zu begeistern, und anschliessend weiterentwickelt und ein fertiges Produkt daraus geformt....und wie auch ich finde, bei unentgeltlichen Diensten keine schlechtes Vorgehen. (..bewusst hier der Zusatz "unentgeltlich", da dieses Beta-Prinzip offenbar auch schon bei kommerzieller Software angewandt wird, was meiner Meinung nach nicht der richtige Weg ist)

Olaf Teichmann hat gesagt…

Da stimme ich zu - besonderes Design ist gerade bei Applikationen, die ein Massenpublikum gewinnen müssen, der erste kritische Erfolgsfaktor. In einer Diskussion in meiner Firma meinte eine Kollegin dazu: Ja, so ist es immer wenn ein Projekt startet. Am Anfang wollen alle bunte Bildchen, bei der Abnahme und späteren Bedienung geht es dann aber nur noch um Funktionalität. Das bringt mich wieder zurück zu einem wichtigen Punkt, der genau so auch für die Beta Applications im Internet gilt - es geht nämlich nicht nur um Design, sondern um Usability.

Ich nehme da mal wieder mein Lieblingsbeispiel iPod. Ein iPod ist ohne Frage "schick", er hat ein schönes Design, und sicher haben ihn deswegen auch viele Leute gekauft. Das allein erklärt aber nicht den "Siegeszug" mit einem Marktanteil von über 80%. Ein iPod ist nämlich auch einfach zu bedienen - viel einfacher als die meisten anderen Player, die mit allerlei Schnickschnack ein Feature Overload betreiben. Apple hat erkannt, dass die meisten User keine Computerexperten sind, sondern Musik hören wollen, die sie über ein einfaches Menü mit "Ein-Daum-Bedienung" auch wiederfinden.

Man kann es also gar nicht oft genug betonen - die berühmten "Flash-Filmchen" sind zwar nett und können eine Menge User mit "Oh!" Effekten fangen. Wenn hinter dieser Fassade dann aber nur ein Overload an überflüssigen Gimmicks das eigentliche Ziel des Users behindert, setzt sehr schnell Frust ein.

Insofern müssen Technik, Design und Usability Hand in Hand gehen, damit sie zu einem Erfolgsfaktor werden können. RIAs bieten hier mehr Möglichkeiten als Standard-HTML, aber sie erzwingen damit noch lange keine Applikation, die der Anwender gern und häufig nutzt. Der Hype um die RIAs lässt sich sehr einfach durch die gesteigerten Möglichkeiten erklären, und ich finde es gut, neue Möglichkeiten auch zu nutzen.

Es bleibt aber die Herausforderung von uns IT Beratern, diese Dimensionen zielgerichtet zu etwas Ganzem zu kombinieren, das dem User hilft. Sowohl Technik als auch Design müssen diesem Ziel untergeordnet sein.