Dienstag, 23. September 2008

Buchempfehlung "The Black Swan" von Nassim Nicholas Taleb

Durch einen Artikel in der FAZ bin ich auf das Buch "The Black Swan" von Nassim Nicholas Taleb gestoßen. Taleb räumt mit einigen "Selbstverständlichkeiten" auf, die der Verstand (und ganz besonders der gesunde Menschen-Verstand, whatever that is .. ) bereits als Lebensgesetz geschluckt, verdaut und als feste Gehirnwindung manifestiert hat.

Als "Black Swan" bezeichnet Taleb ein Ereignis, das (aus unserer beschränkten Sicht) genauso unwahrscheinlich wie wirkungsvoll ist. Diese Ereignisse sind deshalb so bedeutungsvoll, weil wir völlig selbstverständlich dazu tendieren, das Unwahrscheinliche zu ignorieren, der Eintritt eines "Black Swans", so unwahrscheinlich und selten er sein mag, aber immense Auswirkungen hat.

Eine Parallele zu vielen, ganz offensichtlich nicht vorhersehbaren Ereignissen, die die Welt veränderten, kann damit gezogen werden, und Taleb scheut sich nicht, dazu auch Ereignisse wie den zweiten Weltkrieg oder die Erfindung des Internets zu zählen. Nicht zuletzt qualifiziert sich die gerade aktuelle Bankenkrise als ein hervorragendes Beispiel: "Lehman Brothers geht NIE IM LEBEN pleite .." ;-)

Als Vorgeschmack auf dieses äußerst lesenswerte Buch hier ein paar interessante Zitate aus dem ersten Kapitel, die einen guten Überblick geben:
  • Why do we keep focusing on the minutiae, not the possible large events, in spite of the obvious evidence of their huge influence? And, if you follow my argument, why does reading the newspapers actually decrease your knowledge of the world?
  • Black Swan logic makes what you don't know far more important than what you know. Consider that many Black Swans can be caused and exacerbated by their being unexpected.
  • Think of the terrorist attack on September 11th (..) Isn't t strange to see an event happening precisely because it was not supposed to happen?
  • The inability to predict outliers implies the inability to predict the course of history.
  • What is suprising is not the magnitude of our forecast errors, but our absence of awareness of it. We can easily trigger Black Swans thanks to aggressive ignorance - like a child playing with a chemistry kit. Black Swans being unpredictable, we need to adjust to their existence rather than naively try to predict them.
  • The more unexpected the success of a venture, the smaller the number of competitors, and the more successful the entrepreneur who implements the idea.
  • The strategy for discoverers and entrepreneurs is to rely less on top-down planning and focus on maximum tinkering and recognizing opportunities when they present themselves. (...) try to collect as many Black Swans as you can.
  • We tend to learn the precise, not the general. (...) The problem lies in the structure of our minds: we don't learn rules, just facts, and only facts. We scorn the abstract with passion.
  • (..) stand conventional wisdom on its head and to show how inapplicale it is to our modern, complex and increasingly recursive (meaning an increasing number of feedback loops, events causing more events) environment.
  • Few reward acts of prevention, we glorify those who let their names in history books at the expense of those contributors about whom our books are silent.
  • Can you asses the danger a criminal poses by examining only what he does on an ordinary day? Almost everything in social life is produced by rare but consequential shocks and jumps; all the while almost everything studied about social life focuses in the "normal", particulary with "bell curve" methods of inference that tell you close to nothing. Why? Because the bell curve ignores large deviations, cannot handle them, yet makes us confident that we have tamed uncertainty.

Montag, 25. August 2008

Die Produktion von "Doppelbraven"

Gunter Duecks DD71 „Die deutsche Zerrissenheit, der deutsche Doppelbrave und ein Sturm auf die klassische Erziehung“ hat mich auf der Bahnfahrt Braunschweig - Bonn zu einem Gedanken inspiriert. Man verzeihe mir die vielen Zug-Metaphern :-).

Unsere komplette Ausbildung besteht aus relativ wenigen aber wichtigen Einzelentscheidungen, die wir mit zunehmendem Alter eigenständig treffen. Gymnasium oder Realschule? Textil oder Werken? Deutsch und Sport als Leistungsfächer oder doch lieber was womit man beeindrucken kann? Welche Uni? BWL oder doch lieber die Wirtschaftsinfo-Kombi? Wie kann ich Analysis umgehen?

Sind diese Entscheidungen erstmal getroffen und der Zug hat sich in Bewegung gesetzt, heißt es nur noch: Mitfahren und möglichst nicht wieder rauswerfen lassen. Jetzt durchziehen und den Abschluss bekommen, gute Noten auf einem Zeugnis für den späteren Arbeitgeber.

Doch jetzt kommt leider das Problem. Die meisten Unternehmen suchen heute immer weniger die von Gunter Dueck postulierten „Doppelbraven“, sondern den Unternehmer im Unternehmen. Er soll sich nicht einfach für Ziel und Zug entscheiden und dann relaxt in seinen (Arbeits-)Sessel fallen, sondern die Fahrt mitgestalten. Schneller oder langsamer? Andere Strecke besser? Züge modernisieren oder sogar abschaffen und was ganz Neues kreieren?

Darauf bereitet die Lehre nicht vor. Eine deutsche Universitätsausbildung ist größtenteils darauf fokussiert, dass Studierende auswendig Gelerntes rezitieren können. Bloß nicht aus dem Zug geworfen werden, sondern ganz weit nach vorn kommen, zur 1. Klasse! Aber was ist mit Entscheidungen unter Risiko? Unternehmerischem Wagemut? Inspiration, Kreativität? Sozialtaugliches Auftreten? Fehlanzeige. Wenn Job-Einsteiger diese heiß begehrten Qualifikationen mitbringen, dann trotz und nicht wegen der Ausbildung.

Warum also mathematische Optimierungsmethoden oder kiloschwere Marketingbibeln auswendig lernen, wenn das was Unternehmen am meisten wollen nur per Glücksfall daher kommt? Keineswegs ist Fakten-Lernen in der Lehre überflüssig, aber wenn die Lehre beginnend mit der Grundschule in den mindestens 20 folgenden Jahren Schülern und Studenten immer wieder einbleut „Du musste deine Scheine schaffen! Du hast diese Fächer gewählt, damit tritt dein Lehrplan in Kraft und sagt dir was du zu bestehen hast!“, dann dürfen wir uns kaum wundern, dass wir zu viele „Doppelbrave“ und zu wenig „Unternehmer im Unternehmen“ auf dem Arbeitsmarkt haben.

Sonntag, 24. August 2008

Buchtipp "Die 4-Stunden-Woche" von Timothy Ferriss

Das Buch „Die 4-Stunden Woche“ von Tim Ferriss ist eine interessante Mischung aus
  • (teils fernöstlichen) philosophischen Erkenntnissen über Leben und Glück
  • Extrakten modernen Zeitmanagements mit angewandter Prozessoptimierung und Indien-Integration
  • Anleitung für ein Internet-Start-Up mit geringstem Aufwand und
  • eine gute Portion augenzwinkernder „Smartheit“ vermengt mit gesundem Menschenverstand.
Klingt etwas verrückt? Ist es zunächst auch, aber nichts anderes suggeriert ja auch der Titel. Von einer 4-Stunden-Woche dürften die meisten durchschnittlichen Arbeitnehmer und auch Unternehmer so weit entfernt sein wie Tim Ferris von einem 9-to-5-worker.

Ferriss ist 1977 geboren, Self-made-Unternehmer, Weltenbummler und Bestseller-Autor. Der Klappentext sagt zu Ferris’ Initiation: „Während er fünfzehn Monate durch die Welt reiste merkte er, dass er seine Firma nebenbei in 4 Wochenstunden führen kann. Die gewonnene Zeit nutzte er u.a., um in Berlin Deutsch zu lernen und in Argentinien bis zur Guinness-Buch-Reife Tango zu trainieren.“ Außerdem erfährt man im Buch, dass Ferriss diverse Kampfsportarten beherrscht, boxt, Motorradrennen fährt und in Mini-Auszeiten die Welt bereist und dabei Sprachen und alles mögliche andere lernt. Eins wird recht schnell klar: Ein Durchschnittstyp, der gern auf dem Sofa liegt und ein Buch liest, ist das bestimmt nicht. Eher jemand, der sein Leben schon immer aktiv selbst in die Hand genommen und dabei einige wichtige Erfahrungen gesammelt hat.

Im Buch wird erklärt, wie man sich in den Schritten
D efinition
E liminieren
A utomation
L Liberation
aus dem Joch eines in einem Job festgezurrten, unbeweglichen und langweiligen Leben befreit. Wer will schon jahrelang unzufrieden und unglücklich buckeln, um dann in der Rente festzustellen, dass er entweder zu wenig Geld oder gar keine Lust mehr hat, sein Leben zu genießen? Und wer unternimmt WIRKLICH etwas dagegen, anstatt nur darüber zu jammern oder es schweigend hinzunehmen, dass es ja nun mal irgendwie so sein muss?

Darum geht es Ferriss - es gibt nur dieses eine Leben, und es ist einfach zu schade, es für etwas zu opfern, das man eigentlich gar nicht machen will. Es gibt so viele andere schöne Dinge im Leben, man muss sich nur trauen, seine Träume überhaupt wieder zuzulassen und aus dem Traum mit einer konkreten Vorgehensweise Realität zu machen. Und das ist die zweite wichtige Botschaft des Buches: Yes you can. Dafür hat Ferriss sich wirklich bemüht, nicht nur auf einer abstrakt philosophischen Ebene eines Standard-Motivationsbuches zu predigen, sondern konkrete Vorgehens-Ideen (natürlich anhand seiner eigenen noch gar nicht so langen Lebensgeschichte) zu liefern.

Es steht viel Richtiges in diesem Buch
: Sein Leben muss man selbst in die Hand nehmen, und der richtige Zeitpunkt dafür ist jetzt. Es gibt nichts Gutes außer man tut es. E-Mails, Meetings, Telefonate sind häufig überflüssige Zeitfresser. Produktivität lässt sich mit einem konsequent eingesetzen Pareto-Prinzip um Größenordnungen erhöhen (z. B. konzentriere dich auf die 20% Kunden die 80% deines Umsatzes machen). Nach dem Parkinson-Gesetz dauert das Projekt immer exakt so lange wie Zeit dafür ist. Die wirklich wichtigen Dinge sind selten bequem, also raus aus der Komfortzone. Was ist das Schlimmste was Ihnen passieren könnte. Wenden Sie Sandwich-Kritik an. Und so weiter. Das ist alles nichts bahnbrechend Neues - Tim Ferris hat es nach 15-Stunden-Tagen als Unternehmer und einem Nervenzusammenbruch aber für sich in der Praxis entdeckt.

Es sind auch interessante Ideen dabei, die sich nach mehrmaligem Nachdenken durchaus als nützlich erweisen können. Die Idee, einen persönlichen Assistenten in Indien anzuheuern, an den man für 10 Dollar die Stunde unangenehme Arbeiten delegiert, könnte eine davon sein. Die recht radikalen Ansichten zur "Informationsdiät" könnten eine Rettung für alle sein, die in E-Mails, Telefonaten und Meetings ertrinken und dabei eigentlich gar nichts mehr schaffen.

Für alle, die das Gefühl haben, in ihrem Bürojob langfristig absterben zu müssen und eigentlich viel lieber in den Alpen Fallschirm springen, einen Weltrekord im Bäumesägen in der Schweiz erringen oder in China ein gemeinnütziges Unternehmen gegen Umweltverschmutzung gründen wollen, ist dieses Buch eine Bereicherung und vielleicht auch der Anstoß, endlich den Sprung zu wagen.

Der für mich größte Kritikpunkt an dem Buch sind die Annahmen, die stillschweigend getroffen werden:
  • Jeder sollte Unternehmer werden und sein Unternehmen so gestalten, dass es automatisch mit geringstem Aufwand Geld abwirft, mit dem man sich dann seine Lebensträume finanziert.
  • Die meisten hassen ihre Bürojobs, eigentlich wollen sie viel lieber Weltreisen machen, Skifahren in den Anden, in Japan Bus fahren etc., aber trauen sich nicht.
Beide Annahmen passen sehr gut auf Menschen „seines Schlages“, aber die Welt besteht nicht nur aus abenteuerlustigen Unternehmern à la Ferriss. Meine Befürchtung wäre, dass keiner mein Buch „Wie ich unbedingt Neureicher Weltenbummler werden wollte aber irgendwie nicht so cool wie Tim Ferris war“ lesen möchte, von dem ich dann meinen Lebensunterhalt finanzieren müsste ;-)

Im Ernst: Ferris ist meiner Ansicht nach ein ESTP (MBTI Kenner wissen was ich meine, die anderen verweise ich auf das Buch "Please understand me"). Im Kern also ein SP, ein Jäger, einer der ständig neue Herausforderungen sucht, der nicht Ruhe gibt und mit seiner enormen Energie und Umsetzungsdrang die für ihn wichtigen Dinge umsetzt.

Ich bin eher skeptisch, wenn jemand mit einer „Glücksformel“ daher kommt. In den USA sind Bücher der Art „In 100 Tagen Millionär“ der Renner, vermutlich kommt jeden Monat ein solches Buch auf den Markt. Das zeigt zumindest, dass die Menschen nach Konzepten zur Verwirklichung ihrer Träume suchen, wenn auch die wenigsten die Ratschläge wirklich umsetzen werden (können). Dass das Buch „4-Stunden-Woche“ heißt, verdeutlicht aber, dass Ferriss einen etwas anderen Weg geht: Du brauchst keine Million, du brauchst nur soviel Geld um deine Träume zu leben - und die sind erstaunlicherweise manchmal deutlich billiger als eine Mietwohnung.

Trotz aller Kritik hat das Buch daher auch seine Berechtigung: Wer nicht nur für eine empfundene Tretmühle leben möchte (als Arbeitnehmer oder Unternehmer) und sich vorstellen kann, dafür mit seinen gewohnten Denkweisen zu brechen, findet im Buch konkrete Ansätze für eine „Flucht“. Ferriss ist den Weg gegangen und hat dabei etwas über Bord geworfen, was die meisten seiner Leser davon abhalten wird, sein Leben einfach nachzuleben: Die Angst zu scheitern.

Freitag, 8. August 2008

Enterprise Software und Pixelschubsen

Früher besaßen die IT-Abteilungen der Unternehmen die Budgets und legten fest, wer welche Software bekommt. Mittlerweile entwickeln sich IT-Abteilungen (maßgeblich vorangetrieben durch ITSM / ITIL) zu Service-Dienstleistern für die produktive Prozesskette. Damit verändert sich nicht nur ihr Fokus, die "Macht" verschiebt sich auch eindeutig in die Fachabteilungen - und damit hin zu den Anwendern.

Während es also früher "genügte", eine funktionierende Software abzuliefern (was ja leider auch nicht immer funktioniert hat, mittlerweile aber über etablierte Software-Engineering-Prozesse deutlich besser geworden ist), wird die Differenzierung im Markt zukünftig mehr über eine bessere Akzeptanz beim Anwender stattfinden. Typischerweise sind Anwender heute nicht mehr die grauen Büromäuse, die Computer nur für E-Mails und maximal World of Warcraft benutzen, sondern sie sind interessiert genug um zu sehen, welche Unterschiede zwischen einer reinen "funktioniert"-Software und einer wirklich user-orientierten Applikation mit echtem Mehrwert liegen. Das markanteste Beispiel ist wohl der Erfolg von Apple: Auf den Anwender zugeschnittenes, attraktives Design wurde vor der Ipod und Iphone-Ära als Sekundärnutzen belächelt, mittlerweile sind die Zweifler ruhiger geworden und müssen zugeben, dass gute Bedienbarkeit zum Differenzierungsmerkmal und darüber hinaus heimlich, still und leise zu einer Art "erweitertem Primärnutzen" geworden ist. Apple hat diesen Vorteil in den Mainstream gehoben und ist damit reich geworden (zumindest Kollege Steve und die Aktionäre :-).

Das typische Argument, Spielkram hat nichts mit Enterprise Software zu tun, zieht meiner Ansicht nach nicht mehr, denn die Anwender sind dieselben. Ob ich vor Software zu Hause oder bei der Arbeit sitze - ich lasse mich einfach nicht mehr von Applikationen beeindrucken, die zwar irgendwie funktionieren, mich aber durch wenig durchdachte UIs und Abläufe nicht ausreichend bei meinem "Vorhaben" unterstützen, sei es privat oder geschäftlich.

Ich glaube, dieses Umdenken im Markt ist zurzeit da, und es lässt sich nicht nur durch Umfrageergebnisse wahrnehmen, sondern ganz explizit auch in Business Cases durch bessere Unterstützung im Arbeitsprozess rechnen. Große Softwarehersteller mit Kunden aus gehobenem Mittelstand und Weltfirmen wie EMC DCTM schwenken auf RIA Interfaces, weil sie sich durch bessere Bedienbarkeit größere Kundenzufriedenheit (und damit Loaylität und Folgeaufträge) versprechen.

Dabei sollte man aber bei aller Begeisterung eines nicht aus dem Auge verlieren: Sowohl Technologien wie RIA als auch designerisch bearbeitete Interfaces existieren niemals um ihrer selbst willen. Bei aller Technikbegeisterung geht es um die bestmögliche Erfüllung der Kundenwünsche, alles andere ist ausschließlich Mittel zum Zweck!

Je mehr Mittel zum Zweck ein IT-Beratungsunternehmen als Leistung anbieten kann, desto größer werden die Chancen, sich am Markt als derjenige zu platzieren, der innerhalb seiner Zielbranchen Kundenanforderungen nicht nur versteht, sondern auch anwenderorientiert (und sei es bleeding edge technology!) umsetzen kann.

Mittwoch, 6. August 2008

Einfache und schnelle Online Backup Lösung

Als Berater erstellt man sehr häufig unterwegs Dokumente, in denen durchaus einige Tage Arbeit stecken können. Was wenn diese Arbeit durch einen Festplattencrash, Viren, Diebstahl oder schlicht versehentliches Löschen verloren geht? Üblicherweise zieht man ein Backup auf einen USB Speicherstick, aber auch Sticks können verloren gehen oder fehlerhaft sein.

Wenn die Möglichkeit besteht, auf das Internet zuzugreifen (z. B. auch über eine UMTS Karte), kann eine einfache Lösung darin bestehen, die Dateien auf einen Server im Netz hochzuladen. Ein Account bei Googlemail bietet aktuell 7 GB Speicherplatz, das genügt auch für eine größere Menge Dateien plus (wenn man möchte) die E-Mail-Nutzung.

Komfortable Unterstützung für das Speichern der Dateien bietet für Firefox Nutzer das Plugin Gspace. Damit ist es möglich, direkt im Browser Dateien hochzuladen, die dann im Googlemail Postfach als E-Mails erscheinen. Von dort aus können sie mit passenden Labels versehen und archiviert werden.

Aber auch ohne das Plugin kann Googlemail als Dokument-Speicher genutzt werden. Einfach eine neue E-Mail erstellen, passende Meta-Informationen in Betreff und evtl. Nachrichtentext hinterlegen und an sich selbst senden. Die Mail mit den Dateien erscheint dann im Posteingang und kann von dort aus mit Label versehen und archiviert werden. Die Mail in den gesendeten Objekten ist identisch mit der Mail im Posteingang, sie wird nicht doppelt abgelegt.

Googlemail bietet eine komfortable und schnelle Suchfunktion, das Auffinden der Dokumente wird durch die Angabe der Metainformationen in Betreff und/oder Text noch erleichtert. Darüber hinaus ist das E-Mail-Postfach von Googlemail wirklich eines der besten und bequemsten unterwegs (ohne Bild-Werbung und sogar mit einer wählbaren reduzierten Oberfläche, daher besonders bei mobilem Zugang rasend schnell).

Mittwoch, 30. Juli 2008

RIAs und Flex

Das Thema "Rich Internet Applications" rollt zurzeit den Markt für die Gestaltung von Oberflächen auf. Ähnlich wie bei SOA (als logische Web2.0-Weiterentwicklung von Komponententechnologien) ist die Idee eigentlich nicht neu: Bereits Java Applets, Microsofts ActiveX oder Adobe Flash wollten die Vorteile von Fat-Client-Technologie mit einer Distribution über das Internet und Ausführung im Browser verbinden.


Wie so häufig überholen neue Technologien aber beim ersten Start ihre Möglichkeiten. Lange Wartezeiten durch langsame Verbindungen, krude Swing-Programmierung, Sicherheitslecks bei ActiveX und unnütze Gimmicks haben dafür gesorgt, dass die gute alte HTML-Technologie (erweitert um "Tricks" wie Ajax) weiterhin State of the art im Internet bliebt.


Das könnte sich jetzt ändern: Ladezeiten sind meist kein Thema mehr und mit Adobe Flex und Microsoft Silverlight liegen ausgereifte Technologien vor. Vor sechs Jahren entschied der Kunde in einem von mir geleiteten Projekt, dass eine Web-Applikation für die hohen Anforderungen der Nutzer an schnelle Interaktion einfach zu träge ist (es ging um die möglichst zügige Aufnahme von Schadensmeldungen). Heute könnte diese Entscheidung zu Gunsten eines RIA-basierten Interfaces fallen.


Ein Kollege hat einen interessanten, technisch orientierten Blog zum Thema Flex gestartet: Wild technologies oder auch flexible Hamburg (OK, der Titel ist gewöhnungsbedürftig :-) Ein Besuch lohnt sich für alle, die sich für Einstieg und Möglichkeiten interessieren.

Mittwoch, 30. Januar 2008

Buchtipp: Spiele der Erwachsenen (Eric Berne)

Eric Berne begann seine Laufbahn als Psychotherapeut basierend auf der damals dominierenden psychoanalytischen Lehre von Sigmund Freud. Während seiner Arbeit stellte er fest, dass die Diagnose psycho-pathologischer Probleme und die "vorgeschriebene" Korrektur der Patienten durch den Psychotherapeuten stillschweigend voraussetzte, dass der Therapeut "richtig" dachte und handelte, während der Patient "krank" war und daher Gedanken und Handlungen korrigiert werden mussten. Das griff ihm zu kurz, er fing daher an, seine Intuition zu benutzen, um sich in die Menschen, die er behandelte, hineinzuversetzen. Er beobachtete die Menschen und entdeckte verschiedene menschliche "Ich-Zustände" und die Bedeutung von Streicheleinheiten, Zeitvertreib, Spielen. Aus diesen Erkenntnissen erwuchs die viel beachtete Transaktionsanalyse, als deren Begründer Berne heute gilt.

In seinem 1964 unter dem Titel "Games People Play" erschienenen Buch zeigt Berne auf manchmal amüsante aber immer fundierte Weise, dass wir alle mehr oder minder häufig Spiele miteinander spielen. Der Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenen besteht dabei nur in der Art und regeln der Spiele. Ein Spiel besteht nach Berne aus einer fortlaufenden Folge verdeckter sogenannter Komplementär-Transaktionen (eine Transaktion ist die Grundeinheit einer sozialen Verbindung), die zu einem voraussagbaren Ergebnis führen. Die Transaktionen wiederholen sich und sind dabei äußerlich scheinbar plausibel (oberflächliche Transaktion), werden in Wahrheit aber von verborgenen Motiven beherrscht (verdeckte Transaktion).

Wie kommt es, dass erwachsene Menschen forlaufend "Spielchen miteinander spielen"? Der Grund lässt sich zurückverfolgen auf physische und psychische Bedürfnisse, die bereits als Kleinkind vorhanden sind. Kinder, die über einen längeren Zeitraum keine Zuwendung erhalten, verkümmern physisch und psychisch an "Reiz-Hunger". Da physische Zuwendungen während des Erwachsenwerdens seltener werden, wandelt sich der physische Hunger nach "Streicheleinheiten" in einen "Hunger nach Anerkennung" und später in einen "Struktur-Hunger", in dem sich das Bedürfnis nach Vermeidung von Langeweile ausdrückt. Wie wichtig dieser Hunger nach Struktur und Anerkennung werden kann, zeigt sich besonders schnell, wenn vorher als gegeben angesehene Strukturen verloren gehen, z. B. durch plötzliche Arbeitslosigkeit.

Durch die Erziehung der Eltern lernt ein Kind, welche Spiele es spielen und wie es sie spielen soll. Das Ausmaß, in dem es sich in Verfahren, Ritualen und Zeitvertreib auskennt, und die Geschicklichkeit im Umgang damit, haben entscheidenden Einfluss darauf, welche Möglichkeiten sich ihm in Zukunft erschließen werden und wie es diese Möglichkeiten nutzen wird. Sobald sich feste Reiz-Reaktionsmuster etabliert haben, verlieren sich die Ursprünge, aber der "Kindheits-Prototyp" für ein Spiel des Erwachsenen lässt sich zurückverfolgen.

Rituale bestehen aus einer stereotypen Folge von einfachen Komplementär-Transaktionen, die durch äußere Sozialfaktoren programmiert worden sind. Typisches Beispiel sind ritualisierte Begrüßungsregeln, die meist nicht dazu bestimmt sind, wertvolle Informationen zu vermitteln, sondern dem Gegenüber die Streicheleinheiten (das ist nicht ironisch gemeint!) zukommen zu lassen die er verdient, ausgedrückt in der Anzahl der wechselseitigen Dialoge. Jedes Abweichen von der akzeptierten Norm wird als "merkwürdig" empfunden - bekommt man plötzlich mehr oder weniger Aufmerksamkeit als man erwartet, "stimmt etwas nicht". Das einfachste und sicherste Mittel, zum "komischen Kauz" zu werden, besteht darin, grußlos an guten Freunden vorüberzugehen und Unbekannte zu mit überschwänglicher Aufmerksamkeit zu willkommen zu heißen.

Ausgehend von Höflichkeits- und Kennenlern-Riten entstehen allmählich verschiedenene individuelle "Episoden", die sich an oberflächlich unsichtbaren Strukturen orientieren. Spiele sind Episodenfolgen, die auf individueller Programmierung basieren, und ein Großteil der Sozialaktivität besteht darin, bestimmte Spiele zu spielen. Ein Spiel ist dabei nicht nur als Vergnügen zu verstehen, es kann bitterernst sein und wird trotzdem von der Gesellschaft toleriert, solange die Regeln beachtet werden. Der Nutzeffekt eines Spiels besteht in der stabilisierenden Funktion, die es für die Beziehung und die Menschen hat.

Berne beobachtete in Psychotherapiegruppen Veränderungen in der Verhaltensstruktur und ihren Beziehungen zur Gemütslage und seelischen Verfassung. Aus den Ergebnissen schloss er, dass jedem Individuum eine begrenzte Anzahl "psychologischer Realitäten" zur Verfügung stehen, die er als

  • "Eltern-Ich" (übernommen von den Ich-Zuständen seiner Eltern, automatische Reaktion "Das macht man so!" spart enorm Zeit),

  • "Erwachsenen-Ich" (objektive Informationsübermittlung, Analytik, Nutzung der Überlebenschancen) und

  • "Kind-Ich" (fixierte Relikte aus der Kindheit, Quell von Intuition, Kreativität, spontaner Antriebskraft und Freude)

bezeichnete. Komplementäre Transaktionen finden statt, wenn A aus dem Eltern-Ich das Kind-Ich von B anspricht und B aus dem Kind-Ich antwortet, z. B. "Na klasse, schon wieder hast du deinen Schlüssel verlegt!" - "Na und, dafür hast du gestern den Herd angelassen!"

Kommunikation wird unterbrochen wenn es zu einer Überkreuz-Transaktion kommt, wenn also eine Ansprache aus dem Erwachsenen-Ich ("Findest du deinen Schlüssel nicht?") aus dem Kind-Ich beantwortet wird ("Jetzt habe ich also wieder die Schuld, ja?"), hier müssen sich die Vektoren erst wieder abstimmen, bevor weiter kommuniziert werden kann.

Komplexer sind die verdeckten Transaktionen (Komplementär-Transaktion aus dem Erwachsenen-Ich auf der Sozial-Ebene, psychologische Kommunikation zwischen anderen Ebenen (z. B. auf der Kind-Ich-Ebene bei einem Flirt, der oberflächlich ein sachliches Gespräch darstellt), die Ausgangspunkt und wesentliche Voraussetzung für Spiele sind.

Das Mitspielen laufender Spiele ist eine wesentliche Voraussetzung zur Anerkennung und Aufnahme in bestehende Gruppen. Das kann sehr leicht auf gesellschaftlichen Zusammenkünften wie Partys beobachtet werden - wer sich einer Gruppe anschließen möchte, muss zuerst das dort laufende Spiel verstehen und zeigen, dass er ein würdiger Teilnehmer ist, bevor er ein neues Spiel beginnen darf. Auf diese Weise erfolgt ebenfalls die Selektion von Bekanntschaften - wer die passenden Spiele spielt, "passt zu mir".

Die "Antithese" zu einem Spiel besteht zum einen darin, sich der Rolle darin zu verweigern. Allerdings darf man dafür nicht mit Verständnis rechnen - da selbst die "Verlierer" ihre Stabilität aus ihrer Rolle im Spiel ziehen können, ist eine allseitige starke Gegenreaktion (z. B. sofortiger demonstrativer Ausschluss aus einem Gruppengespräch) wahrscheinlich. Eine noch stärkere Intervention bewirkt ein Verhalten, das der Erwartung an einer Rolle genau entgegengesetzt verläuft (vgl. hierzu Lösungen).

Berne führt im Buch ein "Spiel-Brevier" mit einer umfangreichen Spiele-Auflistung aus, auf das hier nicht weiter eingangen werden soll. Ein Beispiel ist das auf der Doppelbindung basierende Spiel "Zwickmühle", das Eltern mit ihren Kindern "spielen", indem sie sie auf der einen Seite dazu anhalten, alle möglichen Dinge im Haushalt zu übernehmen, und dann fortgesetzt an jeder Handlung und jedem Ergebnis etwas auszusetzen haben. Aus diesem Spiel gibt es keinen offensichtlichen Ausweg - tut das Kind wie ihm geheißen, ist es falsch, tut es das nicht, auch. Das Spiel-Brevier nennt zum Abschluss auch einige positive Spiele - positiv deshalb, weil beide Transaktionspartner vom Spiel profitieren und kein "Verlierer" dabei entsteht; z. B. bei einem erwünschten Flirt, den beide genießen.

Das Spiel-Brevier ist für mich der einzige Anlass zur Kritik am Buch. Die Situationen scheinen allesamt aus Bernes privater und klinischer Erfahrung zu stammen, für eine "vollständige" Auflistung und Kategorisierung wären wohl weitere Studien und Meinungen notwendig.

Doch wie sieht der Ausweg aus dem endlosen Kreislauf von Spielen und festgefahrenen Reiz-Reaktions-Mustern aus? Sind wird bis zu unserem Tod in unseren Spielen gefangen, schlicht um unser Leben möglichst im Gleichgewicht zu behalten? Es gibt laut Berne einen alternativen Weg: Bewusstheit als Gegensatz zu systematischem Verhalten, Spontaneität als Gegenpol zur Programmierung der Vergangenheit, und "Intimerlebnisse" (verstanden als echte Zuneigung und Austausch mit Menschen ohne verdeckte Absichten) als Gegenpol zu Spielen.

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Buchtipp:

Spiele der Erwachsenen